“Hände runter, wenn der Moderator fragt” – vielleicht!

Diese Überschrift klingt fies – sie ist aber nicht unbegründet.
Bei einer Moderation sollte man sich vor und während einer Veranstaltung stets ein paar Fragen vergegenwärtigen:
1.) Wer ist der Veranstalter?
2.) Wie lautet der Titel der Veranstaltung?
3.) Was ist das Ziel der Veranstaltung?
4.) Welches ist der Zweck des Handelns des Veranstalters?
5.) Wer bezahlt den Moderator?
6.) Wie sind möglicherweise die “gruppendynamischen Kraftfelder”?
7.) Wer hat welchen Nutzen aus der Veranstaltung, resp. dem, was Gegenstand dessen ist?
8.) Wird die Redezuteilung fair abgewickelt, oder wird die ein oder andere Person trotz Meldung ignoriert oder wird suggestiv mit Formulierungshilfen gearbeitet etc.?
Wenn die Glocke klingt und die Veranstaltung beginnt, sollte man sich auf die moderierende Person konzentrieren. Ihr sehr genau zuhören, sie beobachten.
So ist zum Beispiel ein “politisch-taktisches Spielchen” seitens der moderierenden Person, direkt zum Auftakt ein paar kleine, harmlos klingende Fragen zu stellen.
Beispiele:
I.) Wer von Ihnen ist für xyz?
II.) Wer von Ihnen ist gegen xyz?
III.) Wer hat sich noch nicht eine endgültige Meinung gebildet?
IV.) Wer von Ihnen ist in einer Bürgerinitiative aktiv?
ff.
Hier wird die bei strittigen Themen die absolut wichtige “Wassertemperatur des Bades” gemessen. Denn durch die qualitative Sichtung der erhobenenen Hände sieht man sofort und recht zuverlässig, wie sich das Auditorium zusammensetzt. Auch, wo “Nester” sind, die unter Kontrolle gehalten werden müssen, damit von dort nicht unerwünschte Unruhe entsteht oder unpassende Fragen gestellt werden [s.a.: Pkt. 8.)].
Innerhalb von 30 bis 60 Sekunden ist die “Großwetterlage” geklärt und der Moderator kann sich drauf einrichten. Und natürlich auch die Veranstalter, die die ganze Chose organisiert und ggf. finanziert haben. Und, wie bei jeder Veranstaltung, die ein Ziel erreichen und einen Zweck erfüllen muss, muss man davon ausgehen, dass sich die Veranstalter vorher sehr genau mit der Veranstaltungslenkung befasst haben. Dazu gehört, mindestens drei “Publikumsszenarien” geprobt zu haben:
a.) Versammlung vor Bürgern, bei denen Kreide gefressen wurde und politisches Süssholz geraspelt wird, wo die Veranstalter Herr des Verfahrens sind und die Sache gut “abgehakt” werden kann.
b.) Versammlung, bei der klar ist, dass viele Gegner kommen werden, die sich zu Wort melden. Da ist dann der Adrenalinspiegel entsprechend vorab eingepegelt um Alert zu sein.
c.) Das unangenehmste Veranstaltungsszenario ist, wenn der Veranstalter nicht weiss, wer kommt. Somit auch, welches die Detailthemen sein könnten, wie die Stimmung ist, ob eine Mehrheit der Anwesenden auf eigener Linie ist, oder nicht. Das ist dann das Fischen im Trüben.
Tipp:
Unter anderem bei der Campusbahn-Thematik konnte man das Strickmuster erkennen. Da wurde von den Zuständigen in der Gesamtschule Aachen Brand, die alle gut eingestimmt waren, nett und charmant die “Wassertemperatur” getestet. Artig wie in der ersten Klasse gingen die Hände hoch. Man konnte sehen, wie das Auditorium quasi “sortiert” worden ist.
Da man als Anwesender stets “auf Empfang” gepolt ist, ist klar, der Adrenalinspiegel ist meist über dem Normalpegel. Mit dem richtigen Impuls – hier die charmante Frage – wird eine Reaktion ausgelöst, die ohne vorherige Vergegenwärtigung des Mechanismus´ so wirkt, wie die Mausefalle, die sofort auslöst, sobald die Feder berührt worden ist. “Ätsch – gefangen!”, könnte man sagen.
Sobald solche Frageszenarien anstehen: tief Luft holen, in sich gehen und überlegen, beteilige ich mich an dem Händeheben oder nicht?
Da niemand einen zwingen kann, die Hand bei irgendeiner Frage heben zu müssen, kann man sie unten lassen oder, was manche Routiniers tun, dann die Hand heben, wenn das abgefragt wird, was man eigentlich ablehnt.
Von oben gestaltet sich dann das “Konzert der Hände” ganz anders und eine Veranstaltung kann so eine inhaltliche Dynamik erhalten, weil nicht nach Schema F moderierend vorgegangen wird, sondern ein Überraschungsmoment zuverlässig erhalten bleibt.
Und nicht zu vergessen: als Bürgerinitiative stets verteilt sitzen, weil dann der Block mit reservierten Sitzen (…) bunt gemsicht ist und Befürworter und Gegner nebeneinander sitzen. Das mögen manche Moderatoren nicht.
Probieren Sie es für Sich doch mal aus!
Quelle: http://kaiserplatzaachen.wordpress.com/

2. Lektion: Bürgerinitiativen, Öffentliche Diskussion und Dissentierung