Windatlas 2019

Am 29. Mai 2019 – drei Tage nach der Europa- und Kommunalwahl – wurde der BW-Windatlas 2019 vorgestellt.

Das Land Baden-Württemberg hat im Mai 2019 einen neuen Windatlas vorgestellt, in dem aufgrund schön gerechneter Zahlen und neuer willkürlich festgelegter Kriterien angeblich viel mehr Flächen für Windkraftnutzung geeignet sein sollen. Die Pforzheimer Zeitung hat dazu am 28.11.2019 passend tituliert: „Das Windkraft-Wunderland“. Lesen Sie dazu die Stellungnahme der sehr aktiven befreundeten Bürgerinitiative aus dem Schurwald, die auch eine umfangreiche Analyse durchgeführt hat:

Auswirkung: Verdoppelung der Windkraftflächen

Umweltminister Franz Untersteller freut sich:

Die theoretische Potentialfläche für den Windkraftausbau beläuft sich auf 12% der Landesfläche; wegen Konflikten mit dem Artenschutz und Lärmemissionen reduziert sich diese Fläche auf 220.000 Hektar – das sind aber immer noch 6,2% der Landesfläche. Dies bedeutet eine Verdoppelung der bisher als windkrafttauglich angenommenen Fläche.
Offensichtlich wollte man diese „frohe Kunde“ den Menschen aber erst
nach den Wahlen mitteilen; so sieht Bürgerbeteiligung in BW aus! (Pressemitteilung des Umweltministeriums vom 29.05.2019)

Die Absenkung des Mindestrichtwertes ist ein wesentlicher Grund für die Zunahme der windkrafttauglichen Flächen.

Ermittelte Kenngrößen

Beim BW-Windatlas 2019 werden in einer Auflösung von 30 x 30 Meter in den Berechnungshöhen 100 m, 140 m, 160 m, 180 m und 200 m über Grund mehrere Kenngrößen ermittelt, so u. a. mittlere Windgeschwindigkeit in Meter / Sekunde, mittlere gekappte Windleistungsdichte in Watt / qm (bei Kappungswert 15 Meter / Sekunde), meteorologische Umgebungsturbulenzintensität, Brutto-Standortgüte, u. a. Auf den interaktiven Karten können die berechneten Kenngrößen für jeden Standort in BW (30 x 30 m Zellen) abgerufen werden.

Bewertung und offene Fragen

Der BW-Windatlas 2019  stellt hinsichtlich der Datenbasis und Berechnungsmethodik sicherlich eine deutliche Verbesserung zum BW-Windatlas 2011 dar. Auch der Parameter mittlere gekappte Windleistungsdichte ist aussagekräftiger als die mittlere  Jahreswindgeschwindigkeit.
Allerdings ist der Parameter mittlere gekappte Windleistungsdichte sehr abstrakt sowie wenig verständlich und nachvollziehbar. Er reagiert sehr sensibel auf kleine Veränderungen der Windgeschwindigkeit (3. Potenz), so dass es kleinräumig zu großen Unterschieden bei der Windleistungsdichte kommen kann.
Es stellt sich die Frage, ob dies der geeignete Parameter für einen Windatlas ist, der ja nur eine erste Indikation zur Windkrafteignung eines Standortes geben soll? Hier wird mit hohem Aufwand, aber wenig Transparenz, eine (für einen Windatlas nicht notwendige) Scheingenauigkeit erzeugt.

  • Erste Stichproben deuten darauf hin, dass der BW-Windatlas
    2019
      deutlich niedrigere mittlere Jahreswindgeschwindigkeiten ausweist, als der BW-Windatlas 2011.
    Dies führt (gegenüber dem Windatlas 2011) zu einer Abnahme der windkrafttauglichen Flächen. Durch den Wechsel des Zielparameters wird dies jedoch verschleiert. (Das ist das Eingeständnis, dass der Windatlas 2011 eigentlich unbrauchbar war!)
  • Ferner deutet ein Vergleich mit dem Windatlas der Schweiz darauf hin, dass die im BW-Windatlas 2019 ausgewiesenen Windgeschwindigkeiten – und damit auch die Windleistungsdichtenweiterhin zu hoch dargestellt werden.
  • Der Orientierungswert (Mindestrichtwert) von 215 Watt / qm in 160 m ü.G. (Mittlere gekappte Windleistungsdichte) wird nicht begründet; es wird kein Bezug zum EEG-Referenzertrag hergestellt. Der Wert erscheint willkürlich, bzw. interessengeleitet gewählt.
    Die Kopplung des Mindestrichtwertes an den EEG-Referenzertrag wäre eine sachgerechte und transparente Vorgehensweise. Durch den EEG-Referenzertrag wird der technische Fortschritt abgebildet (z.B. Schwachwindanlagen); ferner ist die Kompatibilität zum EEG gegeben.
  • Folgende Effekte führen (gegenüber dem Windatlas 2011) zu einer Zunahme der windkrafttauglichen Flächen:
  • Die Herabsetzung des Mindestrichtwertes um ca. –0,5 m / sec.  (mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in 100 m ü.G.)  auf  < 60% des EEG-Referenzertrages. Bisher lag der Mindestrichtwert bei 60% des EEG-Referenzertrages und die Ertragsschwelle bei 80% des EEG-Referenzertrages.
  • Der Ansatz der Windgeschwindigkeit entsprechend der Häufigkeitsverteilung führt (größenordnungsmäßig) zu einer Verdoppelung der Windleistungsdichte gegenüber dem Ansatz der mittleren Windgeschwindigkeit.
  • Wegen der Berücksichtigung der Luftdichte können auch niedrige Standorte mit geringer mittlerer Jahreswindgeschwindigkeit als windkrafttauglich bewertet werden.
  • Die Zusammensetzung des Fachbeirat Windkartierung wirft Fragen auf. Neben zahlreichen Ministerien und Behörden sind dort der
    Bundesverband WindEnergie (BWE) und der BUND vertreten. Es fehlen wissenschaftliche und unabhängige Experten der Disziplinen Geographie, Geophysik und Landschaftsplanung.
  • Die Planungsträger der Regionalpläne und Flächennutzungspläne (Regionalverbände und Kommunen) werden nun ihre bisherigen
    Planungen überprüfen
    und ggf. neue Planungsprozesse starten (Minister Untersteller und die Windkraftlobby werden entsprechenden politischen Druck aufbauen). Die bedeutet, alles beginnt wieder von vorne. Viele Gemeinden, die sich bisher vor der Windkraft sicher fühlten, werden ein Aha-Erlebnis haben. Für uns bedeutet dies –  Alarmstufe ROT!